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Green Studies statt Black Studies
Wer heute ein Studium an der Montanuniversität ­Leoben beginnt, studiert immer auch Nachhaltigkeit.
© Montanuniversität Leoben/Thomas Fazokas

Ausbildung

Green Studies statt Black Studies

Weil keiner mehr Erdöl oder Kohle studieren will, hat sich die mehr als 180 Jahre alte Montan­universität neu erfunden. Gelehrt werden in Leoben jetzt auch Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft.

Von Friedrich Ruhm

23.04.2024

„Sie graben ja primär Löcher in den Boden“ – das musste sich Peter Moser, Rektor der Montanuniversität, sagen lassen, als er im Dezember an der Eröffnung der Er­lebniswelt beim ebenfalls in Leoben beheimateten weltweit führenden Hersteller von Leiterplatten und IC-Substraten AT&S teilnahm. „Das war gar nicht böse gemeint, aber die junge ­Dame, die das gesagt hat, war überrascht, mich als Rektor der Montanuniversität dort anzutreffen. Ich habe ihr darauf geantwortet, dass mehr als 100 unserer Absolventinnen und Absolventen bei AT&S arbeiten. Und das nicht im Bergbau.“ 

Von 800 auf 300 Studierende

Nur ist das außerhalb der 1840 als ­Steiermärkisch-Ständische Montanlehranstalt gegründeten Lehranstalt kaum bekannt. Nach wie vor wird die Montanuniversität Leoben allen voran mit Erdölwesen und Kohleabbau assoziiert – Themen, die in Zeiten von Nachhaltigkeit nicht mehr so gefragt sind. Was sich auch an den Neuanmeldungen ablesen lässt: 800 waren es, die in besten Zeiten in Leoben zu studieren begannen, 300 waren es zuletzt. Moser: „Erfreulicherweise ist uns im letzten Jahr die Trendumkehr gelungen. Und für mein Rektorat haben wir uns eine Verdoppelung der Newcomer zum Ziel gesetzt.“

Um das zu erreichen, will Moser, seit Oktober 2023 Rektor, Inhalte und vor allem deren Wahrnehmung verbessern: „Als ich hier noch studiert habe, standen vor allem der ökonomische und der technologische Aspekt im Vordergrund, heute sind in allen Studienrichtungen die ökologische und die soziale Nachhaltigkeit zentral verankert.“

Universität für Nachhaltigkeit

Dazu wurden neue Studienangebote eingeführt, bestehende weiterent­wickelt und einige auch aufgelassen. Moser: „Erdölingenieure braucht man in der Anzahl von früher heute nicht mehr, aber durchaus Geoingenieure – als Spezialisten für Geothermie oder für die Speicherung von Energie und Wasserstoff im Untergrund.“ Ein neues Studium ist „Circular Engineering“, in dem es um die Gestaltung von Produktions- und Stoffflusssystemen für die Kreislaufwirtschaft geht.

Neu ist auch die Studienrichtung „Responsible Consumption and Production“, die nachhaltige Produktion mit nachhaltigem Konsum verbindet, so Moser: „Selbst wenn ich das beste Auto im Sinne von Circular Engineering und Ressourceneffizienz designe und produziere, nutzt das nichts, wenn der Konsument letztendlich damit nicht verantwortlich umgeht.“ Die Montanuniversität bleibt jedoch bei ihren Leisten und will den Technik­bereich nicht „verwässern“, so Moser: „Für das Thema Konsum haben wir im Rahmen der European University on Responsible Consumption and Production eine Partnerschaft mit europaweit acht Universitäten, die diesen Teil abdecken. Das heißt, man studiert einen Teil in Leoben und einen Teil an einer der Partneruniversitäten.“

Für engagierte und kreative Köpfe

Insgesamt gibt es 13 Bachelorstudien und 25 Masterstudien an der Montanuniversität Leoben, die sich an Menschen richten, die „für die wichtigen Herausforderungen unserer Zeit an innovativen Lösungen mitarbeiten möchten“, so Moser. „Wir suchen Studierende mit Engagement und Krea­tivität. Die Werkzeuge, um etwas zu bewirken, studiert man in Leoben.“

Entsprechend gibt es auch keine Aufnahmetests, sondern „ein sehr intensives Onboarding“, so Moser. „Wir bemühen uns, die Studierenden von Anfang an in die Thematik einzuführen, und zwar derart, dass sie erkennen, wofür sie das tun und wofür das Wissen gut ist, das sie sich aneignen. Wenn jemand physikalische Chemie lernt, dann stellen wir von Anfang an den praktischen Bezug her, beispielsweise zum Recycling.“

Instagram, Infotag, ­Schulterschluss

Was sich ebenfalls verändert hat, ist die Art und Weise, wie man die Menschen, die die Montanuniversität als Studierende gewinnen möchte, anspricht. Und zwar im doppelten Sinne des Wortes.

Der erste Sinn meint die Kanäle, zu denen natürlich soziale Medien wie X oder Instagram zählen, die man nutzt, „um konkrete Geschichten zu erzählen und Menschen quer durch die gesamte Gesellschaft zu erreichen“, so Moser.

Neu gestaltet wurde auch der Infotag, der online und vor Ort stattfindet. Neben der Beratung zu den 13 Bachelorstudien werden zu den Terminen in Leoben auch Campus-Führungen und Schnuppervorlesungen, etwa zum Thema „Stahl und Nachhaltigkeit – A Perfect Match?“, geboten. 

Zudem sucht Moser den Schulterschluss mit Unternehmen, die ebenfalls junge Menschen für Technik ­begeistern wollen und von denen es einige in der Nachbarschaft gibt. ­Moser: „Wir haben in Leoben und in der Obersteiermark eine Vielzahl hoch innovativer Unternehmen, die alle die ähnliche Herausforderung haben, dass die Region noch immer wahrgenommen wird als jene, wo Stahl geschmolzen und die Umwelt versaut wird.“ 

Name bleibt, Claim kommt

Der zweite Sinn von „ansprechen“ meint die Traditionen, mit denen die Montanuniversität aufgrund ihrer ­Geschichte ebenfalls assoziiert wird und die bisweilen nach außen ein Bild erzeugen, das „aus der Zeit gefallen scheint“, so Moser. Entsprechend waren dessen Anhänger von der Neuausrichtung der Montanuniversität auch nicht gerade „amused“. Moser: „Der Sturm im Wasserglas, der für mich fast schon amüsant war, hat sich mittlerweile gelegt. Es gibt mit den studierenden Verbindungen im Haus eine sehr gute Gesprächsbasis, und ich ­habe auch nichts dagegen, wenn sich Leute in studentischen Verbindungen organisieren wollen. Solange diese Vereinigungen sich am Boden der Werte Österreichs und Europas bewegen, ist mir alles recht.“ Ihm gehe es vielmehr um inhaltliche Veränderung und darum, wie man diese am besten vermitteln könne. Moser: „Unser Portfolio ist so aufgestellt, dass man sagen kann: ‚Wenn ihr etwas für eine nachhaltige Zukunft tun wollt, dann kommt nach Leoben.‘ Da muss es wohl auch legitim sein, darüber nachzudenken, welcher Traditionen man sich im Sinne einer Corporate Identity dafür bedient.“ 

Eine Umbenennung der Montanuniversität Leoben steht aber nicht im Raum. Moser: „Die Wort-Bild-Marke wird erhalten bleiben, aber wir werden sie mit einem Claim ausstatten.“ Der ist noch in Ausarbeitung, soll aber die Aspekte Innovation und Nach­haltigkeit stärker als bisher nach ­außen tragen.

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